Das Bildungssystem hindert täglich Millionen von jungen Menschen daran, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und Selbstorganisation zu üben. Schule formt dadurch die Art, wie wir uns später organisieren und unsere Leben gestalten – und damit die Zukunft unseres Planeten. Wie können wir also alternative Strukturen schaffen, die eine schöne Zukunft ermöglichen?
Laut einer Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) fühlen sich fast die Hälfte aller jungen Menschen, die die Schule verlassen, orientierungslos und überfordert. Sie fragen sich verzweifelt, wie sie im Meer der unendlichen Möglichkeiten das „Richtige“ finden. Es ist, als stünden sie dabei vor einem Regal im Supermarkt, das immer die gleichen Tütensuppen bereithält und gleichzeitig suggeriert: Du kannst Dich hier ganz frei entscheiden. Dabei können wir mehr als nur unsere „Lernmenüs“ zu konsumieren und passiv eine „Wahl“ zu treffen – es gibt unzählige Weisen unser Lernen und Leben abseits der konventionellen Wege zu gestalten. Doch davor haben wir Angst.
Es gehört zu einer Leistungsgesellschaft dazu, ständig das Gefühl zu haben, für das eigene Glück, ja, das eigene Überleben verantwortlich zu sein. In der Schule wurden wir für schlechte Noten selbst verantwortlich gemacht – nicht etwa das Benotungssystem. Und wir sehen von klein auf, dass unsere Bezugspersonen weniger Ansehen haben, wenn sie einen schlecht bezahlten Job ausüben – die Schuld dafür bekommt selten die Klassengesellschaft, sondern sie selbst. Es ist dieses Gefühl, das den jungen Menschen den Kontakt zu ihren Herzen raubt und ihnen den Mut nimmt durchzuatmen und der Welt neugierig zu begegnen. Im Rausch der schnellen Entscheidungen verlieren wir den Blick für die dahinter liegende kapitalistische Struktur, die es zu verändern gilt. Und wir vergessen, dass wir alle aktive Gestalter*innen der Welt sind, dass wir Widerstand leisten, experimentieren und neue Strukturen schaffen können.
Wir brauchen neue Selbstverständlichkeiten. Jeder Mensch kommt mit dem dringenden Bedürfnis auf diese Welt, tätig zu sein und zu wachsen, zu erkunden. Statt uns im Hamsterrad von Ausbildung, Lohnarbeit und Konsum zu verlieren, können wir uns aufmachen zu einer neuen Kultur des Lernens, in der Raum ist zum Innehalten und Umschauen, ganz nach Fähigkeiten und Bedürfnissen.
Projekte, die versuchen aus dem System auszubrechen, es zu umgehen oder neu zu gestalten sprießen gerade wie Gräser zwischen den Pflastersteinen. Viele Menschen haben sich aufgemacht und konnten für einige Zeit ein Gefühl für eine andere Wirklichkeit entwickeln, ihre Neugier kultivieren und bereichernde Erfahrungen sammeln. Was es jetzt noch braucht ist das bewusste Erschaffen einer neuen Struktur, die fast unsichtbar wie ein großes Netz den ganzen Projekten zugrunde liegt.
Struktur braucht es dann, wenn mal etwas nicht funktioniert, wenn die Eltern eingreifen und fragen: „Aber was machst du denn dann in zehn Jahren ohne Abschluss und Geld?“. Struktur braucht es, um Menschen aufzufangen, Zusammenhänge sichtbar zu machen und zu zeigen, dass wir mit unseren Ängsten und Hoffnungen nicht allein sind. Konkret könnte Struktur das sein: Befreite Orte ohne Leistungsdruck, solidarische Nahrungsmittelverteilungskonzepte, Orte der Heilung an denen Menschen durch emotionale Prozesse begleitet werden und Sicherheit erfahren. Und: eine Plattform für Vernetzung und Übersicht über all die Initiativen und Projekte, die sich mit selbstbestimmtem Lernen und Leben auseinandersetzen und Zeiten, in denen Menschen zusammenkommen und Beziehungen aufbauen können. Genau das ist das Ziel des Verbands für freie Bildungsalternativen.
Im Februar diesen Jahres trafen sich fünfzehn Projekte wie die Reiseuni, die Akademie für angewandtes gutes Leben, das Kanthaus und das Naiv-Kollektiv um sich zu besser kennen zu lernen. Bald wurde klar, dass es zwischen den Projekten mehr Vernetzung braucht um eine wirkliche Alternative zu Ausbildung, Studium oder Lohnarbeit zu bilden. Und, dass die Projekte dafür als Bewegung sichtbarer werden müssen. Schnell war also der Verband für freie Bildungsalternativen initiiert, dem sich seither einige zusätzliche Projekte angeschlossen haben.
Der Verband sieht sich als Netz, das Projekte miteinander verwebt, Kongresse und Messen veranstaltet, Workshops hält und Menschen informiert. Dabei sind uns eine basisdemokratische Organisationsstruktur, ein unkommerzieller/tauschlogikfreier Umgang mit Ressourcen und ein ein spielerisches, handlungsbezogenes Lernen, das auf mehr Selbst- und Weltverantwortlichkeit zielt, wichtige Werte.
Am 15. Dezember findet in Berlin die erste Messe für alternative Lernwege jenseits der Schule statt. Wir laden euch zum Schlendern zwischen Infoständen, Träumen, Kritisieren und Pläne schmieden ein! Auf unserer Webseite www.freiebildungsalternativen.de/ausbruch könnt ihr euch ab jetzt anmelden.